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Pressemitteilung

Haushaltsrede von Bezirksrat Olaf Heinrich

... bei der Verabschiedung des Bezirkshaushaltes in Landshut.

Meine Herren Präsidenten, verehrte Frau Vizepräsidentin,

sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

wo soll der Weg hingehen, in einer Zeit der Finanzmiseren? Während Gemeinden und Städte unter immer weiter steigenden Kosten stöhnen, während die Landkreise z.B. durch Hartz IV immense Mehrausgaben zu verzeichnen haben, ohne dass eine Kompensation auch nur annähernd sicher ist, in einer Zeit in der die Proteste gegen Kürzungen und Streichungen auch auf Landesebene keineswegs völlig beendet sind, da ist es wohl auch wieder an der Zeit, ein vermeintlich populäres Thema aufzugreifen: Nicht nur der Bund der Steuerzahler, die FDP in Niederbayern oder auch der Bayerische Gemeindetag, ja selbst der niederbayerische Staatsminister Erwin Huber haben in den letzten Wochen und Monaten den Fortbestand der Bezirke in Frage gestellt.

 

Dies ist vielleicht verständlich, gerade wenn die Bezirk ihre Umlagen erhöhen müssen. Die Landkreise stehen mit dem Rücken zu Wand, die Städte und Gemeinden können höhere Kreisumlagen nicht mehr verkraften – was liegt da näher, als auf den Bezirk zu schimpfen, der "schon wieder" seine Umlage erhöhen will?

 

Wann immer ich diese hochemotionalen Vorschläge und Vorstöße gehört habe, fühlte ich mich an Friedrich von Schiller erinnert, der in "Wallstein" schrieb: Mit Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Einsicht und an Kräften fehlt.

 

In meinen Augen muss einer solchen Debatte offensiv und mit Selbstbewusstsein begegnet werden. Weisen wir darauf hin, dass

 

- im Gegensatz zu den allermeisten Landkreisen die Bezirke sogar wiederholt die Hebesätze der Umlage gesenkt haben! Man kann also keineswegs von fortwährenden Kostensteigerungen sprechen.

 

- der Bezirk seine gesamten Rücklagen verbraucht hat um eine Umlagensteigerung in viel größerem Ausmaß bereits 2003 zu verhindern. Seinerzeit ist auch explizit darauf verwiesen worden, dass dies unvermeidlich zu Umlagesteigerungen führen wird, wenn die Rücklagen erst einmal verbraucht sind.

 

- dass der Bezirk wichtige Aufgaben erfüllt, und dass jeder der die Existenz der Bezirke in Frage stellt erst einmal einen Vorschlag vorlegen muss, wie denn in Zukunft die zahlreichen Zuständigkeiten verteilt und v.a. fair für alle Landkreise finanziert werden sollen. Nur zu schimpfen, die Abschaffung zu fordern aber gleichzeitig keinerlei greifbare Alternativen zu nennen, das ist in meinen Augen völlig unseriös.

 

- die freiwilligen Leistungen im Bezirk Niederbayern im Promillebereich liegen. Hier wurde bereits fast alles gespart was nur vorstellbar war. Eine solche Minimalquote an freiwilligen Leistungen ist innerhalb der "kommunalen Familie" wohl nirgends mehr zu finden, und da sprechen die Kritiker von fehlendem Sparwillen!

 

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die ödp, die durch die Abschaffung des Bayerischen Senats für viel Furore gesorgt hat, spricht sich ausdrücklich nicht für die Abschaffung der Bezirke aus. Dies mag vielleicht manchen Beobachter verwundern, ist aber gut begründbar.

 

Die Bezirke in Bayern wurden zwar unter der Regierung Montgelas am Anfang des 19. Jahrhunderts relativ willkürlich zugeschnitten, haben aber mittlerweile eine stark im Bewusstsein der Menschen verankerte Stellung erlangt. Der vielbeschworene Regionalismus in Europa hat hier eine bereits akzeptierte Basis. Dies lässt sich wissenschaftlich nachweisen: Nach einer Dissertation von Klemens Probst aus dem Jahre 1994 eignen sich die Bezirke in besonderer Weise als kommunale Selbstverwaltungsebene im vereinten Europa. Allerdings plädiert auch dieser Autor für eine wesentliche Aufgabenausweitung. Ohne Reform der Bezirke wird deren Akzeptanz weiter abbröckeln, so schreibt Klemens Probst.

 

In der Debatte um die Zukunft der Bezirke muss vielmehr eine weitreichende Reform gefordert werden. Diese muss in zwei Richtungen gehen:

 

- Wesentliche Ausweitung der Aufgaben

- Demokratisierung und verbesserte Kontrolle

 

Zur Ausweitung der Aufgaben schlagen wir mindestens die folgenden Punkte vor:

 

- Die Bezirke sollen künftig für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) federführend sein. Heute liegen Zuständigkeiten bei Landkreisen, kreisfreien Städten und beim Wirtschaftsministerium. Das hat gravierende Nachteile, weil vielfach die Planung an der Landkreisgrenze endet und dabei regionale Verbindungen über Landkreisgrenzen hinweg unberücksichtigt bleiben. Die Bezirksebene wäre genau die richtige Größe, um einen leistungsfähigen, vernetzten und bedarfsgerechten ÖPNV zu organisieren.

 

- Die Regionalplanung soll künftig Bezirksaufgabe sein. Heute entscheiden 18 regionale Planungsverbände (die nur als "faktische Geheimgremien" bezeichnet werden können) über zum Teil wesentliche Entwicklungsfragen. Diese Planungsverbände sind aufzulösen, vor allem auch wegen ihrer mangelhaften Durchschaubarkeit und Kontrollierbarkeit. Die in vielen Fällen windkraftfeindliche Politik der Planungsverbände wäre z.B. sicherlich nicht möglich, würden diese Fragen in einem vom Volk gewählten Gremium erörtert und entschieden! Hier müssen die Intransparenz beendet und die Aufgaben in die Hand öffentlich tagender Bezirksgremien gelegt werden

 

- Zweckverbände (z.B. zum Betrieb von Müllverbrennungsanlagen, Trinkwasserversorgung etc.) sind aufzulösen, ihre Aufgaben sollen weitestgehend in die Verantwortung der Bezirke übergehen. Gerade die Zweckverbände sind problematisch, weil sie de facto eine Ausschaltung der demokratisch gewählten Kommunalpolitiker bedeuten. Sie sind weit skandalanfälliger als andere Gremien (siehe Müllverband Donau-Wald). Eine Auflösung der Bezirke würde bedeuten, dass eine Vielzahl neuer Zweckverbände (z.B. für Kliniken) gegründet werden müsste. Wer jedoch dem Prinzip der demokratischen Kontrolle öffentlichen Handelns durch gewählte Vertreterinnen und Vertreter anhängt, kann kein Ausufern der Zweckverbandslandschaft in Bayern wollen!

 

- Die Bezirke sind heute für die Versorgung und Behandlung Drogenkranker zuständig. Die Drogenprävention zählt jedoch nicht zum Katalog ihrer Aufgaben! Die Bezirke sollten dafür eintreten, dass auch die Prävention auf der Bezirksebene gestaltet und organisiert werden soll. Durch ein ganzheitliches Drogenpräventions- und Therapieprogramm der Bezirke wäre eine flächendeckende Versorgung und Qualitätssicherung gewährleistet.

 

Die Verbesserung der demokratischen Kontrolle der Bezirke stellt sich unserer Meinung nach dann ein, wenn die Bezirke Aufgaben übertragen bekommen, die für eine breite Öffentlichkeit nicht nur von Bedeutung sondern auch tagesaktuell interessant sind. Die Verwirklichung der genannten Vorschläge würde daher automatisch zu einer regelmäßigen und wirksamen Kontrolle durch die Öffentlichkeit führen!

 

Natürlich gibt es zahlreiche weitere Reformvorschläge, die ohne Scheuklappen oder heruntergelassenes, parteipolitisches Visier diskutiert werden sollten. Hier will ich, um meine Redezeit nicht zu sehr zu verlängern, nur die mögliche Direktwahl eine Bezirkspräsidenten nennen, der analog zur heutigen Funktion des Landrats sowohl Chef der staatlichen Exekutivebene, als auch der Spitzenrepräsentant der kommunalen Selbstverwaltungsebene Bezirk sein könnte.

 

Die skizzierte Erneuerung der Bezirke wäre ein entscheidender Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung und zur Demokratisierung. Die vom Volk gewählten Bezirkstage und ein vom Volk gewählter Bezirkspräsident wären einflussstarke Kräfte, die in der Lage wären, einem tendenziellen "Münchner Staats-Zentralismus" entgegenzuwirken, das Regionalbewusstsein zu stärken und entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip bürgernahe Lösungen voranzutreiben.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen wir die Debatte um die Zukunft der Bezirke mit Selbstbewusstsein auf. Lassen wir uns nicht reduzieren auf die Frage, ob der status quo erhalten werden kann, sondern fordern wir selbstbewusst Reformen, Aufgabenausweitungen, eine Stärkung der Bezirke ein. In einem zusammenwachsenden Europa müssen die Regionen weiter gestärkt werden, denn sie sind identitätsstiftend und damit in einer Welt der Globalisierung unabdingbar.

 

Auch wenn ein solcher Vorstoß kaum auf ungeteilte Zustimmung stoßen wird, halten wir es mit dem englischen Schriftsteller Oscar Wild, der sinngemäß sagte: Eine Idee, die nicht für Empörung und Widerspruch sorgt ist es gar nicht wert, eine Idee genannt zu werden

 

Der vorliegende Haushalt mag vielen von uns nicht besonders gefallen – niemand wird die Bezirksumlagenerhöhung leicht gefallen sein. Aber da es keine überzeugenden Alternativen zu dem vorgeschlagenen Kurs gibt, stimme ich in diesem Jahr dem Haushalt in der vorliegenden Form zu.

 

Bei Ihnen, Herr Bezirkstagspräsident, bei der gesamten Verwaltung und den zahlreichen Mitarbeitern des Bezirks möchte ich mich für die geleistete Arbeit im letzten Jahr bedanken.

 

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